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22.11.2022 Alzheimer-Forschung

Zwei neue Gene, die das Krankheitsrisiko erhöhen

Weltweit größte Exom-Squenzierungsstudie

Prof. Dr. Dr. Alfredo Ramirez, Foto: Klaus Schmidt
Prof. Dr. Dr. Alfredo Ramirez, Foto: Klaus Schmidt

Eine internationale kollaborative Studie hat zur Entdeckung von zwei neuen "Alzheimer-Genen" und zum Nachweis eines dritten Gens geführt. Eine genetische Veränderung in einem dieser Gene kann zu einem deutlich erhöhten Risiko für die Alzheimer-Krankheit führen. Die Studie wurde am 21.11.2022 in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Die ebenfalls beteiligte Kölner Gruppe um Univ.-Prof. Dr. Dr. Alfredo Ramirez von der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät, war verantwortlich für die Vorbereitung und Qualitätskontrolle der deutschen Proben, die für diese Studie zur Verfügung gestellt wurden.

„Jenseits der neuen Alzheimer-Genen liefert auch dieses Manuskript in dem Sinne komplementäre und unterstützende Informationen zu der im April dieses Jahres veröffentlichten genomweite Assoziationsstudie, dass wir nun kodierende Varianten in spezifischen Genen innerhalb von genomischen Regionen identifiziert haben, die bereits durch die genomweite Assoziationsstudie benannt wurden. Normalerweise können in den Genomregionen, die in genomweiten Assoziationsstudien identifiziert wurden, mehrere Gene enthalten sein, was es schwierig macht, das richtige Gen zu benennen. Durch den Einsatz von Sequenzierungstechnologien können wir bestimmen, welche Gene innerhalb einer genomischen Region für diesen bestimmten Ort ursächlich sein könnten.“, erklärt Prof. Ramirez, Leiter der Sektion für Neurogenetik und Molekulare Psychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät. Prof. Ramirez forscht auch am CECAD Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität zu Köln.

In Zusammenarbeit mit einer großen internationalen Forschergruppe wurden mehr als 32 000 Genome von Alzheimer-Patienten und gesunden Personen verglichen. Die Forscher fanden heraus, dass seltene schädliche Genmutationen in fünf Genen, SORL1, ABCA7, TREM2, ATP8B4 und ABCA1, zu einem erhöhten Risiko für die Alzheimer-Krankheit führen. Während dies für die ersten drei Gene bereits bekannt war, wurde die Feststellung, dass schädliche Mutationen in ATP8B4 und ABCA1 zur Alzheimer-Krankheit führen können, bisher nicht beobachtet. Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass schädliche Mutationen in einem sechsten Gen, ADAM10, wahrscheinlich ebenfalls zu einem erhöhten Alzheimer-Risiko führen werden. Die Autoren beobachteten jedoch nur sehr wenige Personen mit genetischen Mutationen in diesem Gen, so dass ein Vergleich einer noch größeren Sammlung von Genomen von Alzheimer-Patienten und gesunden Personen erforderlich ist, um ADAM10 als ein "Alzheimer-Gen" zu klassifizieren. 

Funktion der Gene 

Alle identifizierten Gene sind an der Aufrechterhaltung der Gesundheit des Gehirns beteiligt, und eine genetische Beeinträchtigung dieser Gene deutet auf Prozesse hin, die im Gehirn von Alzheimer-Patienten schief laufen. Die zuvor entdeckten Alzheimer-Gene SORL1, ABCA7 und TREM2 sind an der Verarbeitung des Amyloid-β-Proteins durch Neuronen oder das Immunsystem des Gehirns beteiligt. Die neu entdeckten Gene gehen darüber hinaus: ABCA1 sorgt für die Aufrechterhaltung eines gesunden Cholesterin- und Phospholipidspiegels in den Gehirnzellen und wird mit einem geringeren Gehalt an aggregiertem Amyloid-Protein in Verbindung gebracht. Hohe Konzentrationen dieses Proteins sind ein Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit. Wie ABCA1 ist auch das neu entdeckte Gen ATB8B4 am Transport von Phospholipiden beteiligt, vor allem in den Immunzellen des Gehirns. ADAM10 ist ebenfalls an der Verarbeitung des Amyloid-β-Vorläuferproteins beteiligt, jedoch so, dass es die Bildung des Amyloid-β-Proteins verhindert.  Zusammengenommen stellen die identifizierten Gene die molekularen Mechanismen dar, die bei Alzheimer-Patienten am stärksten betroffen sind, und bieten somit Angriffspunkte für die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten. 

Auf dem Weg in eine Zukunft ohne Alzheimer 

Schätzungsweise 60 bis 80 Prozent des Alzheimer-Risikos lassen sich durch genetische Faktoren erklären, und bei früh einsetzender Alzheimer-Krankheit (Alter bei Krankheitsbeginn < 65 Jahre) steigt dieser Anteil auf über 90 Prozent. Mit Hilfe des einzigartigen Genoms jeder Person könnte es daher möglich werden, Personen mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko zu identifizieren, bevor Symptome auftreten, so dass in Zukunft rechtzeitig personalisierte Behandlungsstrategien eingesetzt werden können.

DOI: 10.1038/s41588-022-01208-7