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12.12.2008

Kölner Uniklinik erfolgreich in der „Neuroethik“

Forschungen zu ethischen Fragen der Hirnstimulation sowie zu „Mind- und Brainreading“ starten an der medizinischen Fakultät

Zwei Forschergruppen werden insgesamt mit rund 1,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von Kölner WissenschaftlerInnen geleitet: Frau PD. Dr. med. Woopen (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin) und Prof. Dr. med. Dr. phil. Vogeley (Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie und Psychotherapie). Dies ist Ergebnis der Neuroethik-Ausschreibung, die das BMBF zusammen mit Forschungsförderinstitutionen in Kanada und Finnland aufgelegt hat. Ab sofort werden deutschlandweit fünf internationale Forschungsverbünde gefördert, die sich mit philosophischen und ethischen Fragen der modernen Neurowissenschaften beschäftigen. Der erste Projektverbund untersucht „Ethische, rechtliche und soziale Fragen der tiefen Hirnstimulation – Gesundheit, Lebensqualität und personaleIdentität“.

Für die tiefe Hirnstimulation (THS) wird eine kleine Sonde in das Gehirn eingesetzt, die über einen am Brustkorb unter der Haut eingesetzten Schrittmacher stimuliert wird, um die Aktivität dieser Hirnregion zu beeinflussen. Bei der Parkinson-Krankheit und weiteren Bewegungsstörungen ist sie in späten Krankheitsstadien bereits ein etabliertes Verfahren. In den letzten Jahren wird die THS darüber hinaus auch bei psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt , zum Beispiel bei Zwangsstörungen und Depressionen. Die Erfahrungen zeigen, dass die THS neben der Linderung der krankheitsbedingten Symptome auch unbeabsichtigte Wirkungen erzeugt wie Änderungen der Stimmungslage, Einschränkungen kognitiver Leistungen und Beeinträchtigungen psychosozialer Aspekte – also Faktoren, die die Persönlichkeit und die Lebensqualität des Patienten ganz wesentlich betreffen.

Es sollen daher grundlegende Überlegungen zu ethischen und rechtlichen Aspekten mit empirischen Erhebungen in der klinischen Versorgung und in der Forschung verbunden werden, um auf der Grundlage dieser umfassenden Betrachtungen Kriterien für die Anwendung der THS bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen zu entwickeln. Das Verbundprojekt erfolgt auf deutscher Seite in Köln (Uniklinik, medizinische und juristische Fakultät) in Kooperation mit der Klinik für Neurologie (Prof. Dr. Lars Timmermann), der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Dr. Jens Kuhn), dem Institut für Medizinrecht (Prof. Dr. Christian Katzenmeier) sowie auf kanadischer Seite mit dem Toronto Western Hospital (Klinik für Neurologie: Dr. Dr. Elena Moro; Klinik für Neuropsychiatrie: Dr. Mateusz Zuroswski) und dem Joint Center for Bioethics (Dr. Kyle Anstey) und wird von PD Dr. Christiane Woopen (Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Uniklinik Köln) koordiniert.

Der zweite Projektverbund „Other Minds: Neurophilosophie und Neuroethik der Intersubjektivität“ ist auf die komplexen kognitiven Leistungen Selbstbewusstsein und kommunikativer Austausch zwischen Personen gerichtet, die bisher im Wesentlichen Untersuchungsgegenstände der Philosophie waren. Die moderne kognitive Neurowissenschaft erlaubt aber mittlerweile auch die systematische, naturwissenschaftliche Untersuchungen unserer Fähigkeit, uns erfolgreich in andere Personen „hineinversetzen“ zu können, um deren Gedanken oder Gefühle nachempfinden oder „lesen“ zu können. Diese Leistungen, die wir im Alltag ständig benötigen und die bei psychischen Erkrankungen gestört werden oder verloren gehen können, werden auch als „Mindreading“ bezeichnet. Kann man, wenn man die Hirnprozesse kennt, diese Leistungen medizinisch wieder herstellen? Eine Zukunftsfrage, die aber die Komplexität der Möglichkeiten moderner Neuroethik aufzeigt.

Dem „Mindreading“ wird eine neue Technik, die des „Brainreading“, zur Seite gestellt: Sie fragt, ob und wie aus Informationen über Hirnprozesse geschlossen werden kann, was die untersuchte Person gerade „erlebt“, „denkt“ oder „fühlt“, mit anderen Worten, was ihr phänomenaler Gehalt ist: Kann man bestimmte, messbare Hirnprozesse konkreten Gefühlen oder gar Gedanken zuordnen? Das wirft philosophische, neurowissenschaftliche und medizinische Fragen auf. Diese werden in einem interdisziplinären, deutsch finnischen Forscherverbund bearbeitet unter Beteiligung von Prof. Dr. Newen (Philosophie, Bochum), Prof. Dr. Juckel (Psychiatrie, Bochum), Prof. Dr. Veikko Launis (Philosophie, Turku), Prof. Dr. Revonsuo (kognitive Neurowissenschaft, Philosophie, Turku) und unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Kai Vogeley (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln).

Ansprechpartner:
PD Dr. Christiane Woopen
Institut für Geschichte und Ethik
der Medizin, Herderstraße 54, 50931 Köln,
Tel 478-86989,
christiane.woopen@uni-koeln.de.

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Kai Vogeley
Department of Psychiatry
University of Cologne
Kerpener Str. 62
50924 Cologne, Germany
Phone 0049 221 478 87155
Fax 0049 221 478 3738
kai.vogeley@uk-koeln.de

Für Rückfragen:
Sina Vogt
Leiterin Stabsstelle Kommunikation Uniklinik Köln
Telefon: 0221 478 5548
E-Mail: pressestelle@uk-koeln.de
Anlage
Bild: (Foto: Medizinfoto Köln, Abdruck honorarfrei)